Mit dem hervorragenden Album Axels & Sockets verneigen sich Größen wie Nick Cave, Iggy Pop, Debbie Harry oder Mark Lanegan dieser Tage vor dem Musiker, Autor und Weltenbummler Jeffrey Lee Pierce, der 1996 starb, und der vor allem durch seine Aufnahmen mit der Punk-Blues-Band The Gun Club Geschichte schrieb. Ein guter Anlass, um mich auf eine meiner eigenen Begegnungen aus dem Jahr 1993 mit einem Künstler zu besinnen, dessen Lebenskerze nicht nur an beiden Seiten, sondern auch irgendwo in der Mitte brannte.
The Gun Club: „Good Morning Vietnam“
„Was
ist das hier eigentlich für eine Gegend, was geht denn hier ab?“, erkundigt sich
Jeffrey Lee Pierce als erstes. Natürlich hat er schon beim kurzen Weg quer über
die Straße vom Bahnhof zum Hotel gemerkt, was hier so los ist - wir sind halt mittendrin
in Frankfurts Rotlichtsumpf. Jeffrey
hat genug von der Welt gesehen. um das sofort zu erkennen. „Ich mag solche Viertel“,
erklärt er dann mit leichtem Lächeln und scheint sich ein bisschen zu entspannen.
Jeffrey
hat heute nicht seinen besten Tag, er ist müde und hat Schmerzen, und am liebsten
wäre er in London geblieben, um sich noch ein paar Tage zu erholen, bevor die Tournee
beginnt. Die Gerüchte, er sei schwerkrank und habe Leberzirrhose, haben sich bestätigt,
aber er scheint gerade jetzt entschlossen, produktiver zu sein als in seiner ganzen
Karriere zuvor - trotzdem oder gerade deswegen. Seit 1990 das letzte Studio-Album
des Gun Clubs erschien, hat die Band eine Doppelmaxi und zwei Live-LPs herausgebracht,
und Jeffrey hat solo als „Ramblin’ Jeffrey Lee“ eine Bluesplatte aufgenommen,
von der Zusammenarbeit mit anderen Bands wie Die Haut einmal ganz abgesehen.