Montag, 9. Juni 2014

Lieblingsbücher #1

Inspiriert von Joe Abercrombies "Half A King" mit seiner wikingischen Szenerie nahm ich wieder einmal Frans G. Bengtssons Wikinger-Klassiker "Die Abenteuer des Röde Orm" zur Hand - diesmal in der schwedischen Originalausgabe, die ich schon vor ein paar Jahren gekauft und dann zunächst ungelesen ins Regal gestellt hatte. Kaum war die erste Seite aufgeschlagen, war ich schon wieder mitten drin.


Von Sachsen und England waren jetzt geschorene Männer gekommen, um in Schonen die christliche Lehre zu predigen. Sie hatten von gar vielem zu reden, und anfangs war man neugierig und hörte gern zu; und die Frauen fanden es lustig, von den Fremden getaucht zu werden und von ihnen ein langes weißes Hemd gechenkt zu bekommen. Aber bald war der Hemdenvorrat der Fremden zu Ende, und man hörte auf, ihren Predigten zu lauschen, die man nun ermüdend und wenig glaubwürdig fand; dazu war ihre Redeweise stockend und gab ihnen den Anschein, als seien sie kindischen Geistes ...
Röde Orm erlebt seine Abenteuer in einer Zeit des Umbruchs - das Christentum macht sich allmählich in den skandinavischen Ländern breit. Und es steht die erste Jahrtausendwende bevor, anlässlich derer - man kennt das ja - allerorten der Untergang des Abendlandes beschworen wird. Der junge Orm hat allerdings so seine eigenen Sorgen: Auf dem heimischen Hof als jüngster Sohn von der Mutter verzärtelt, hat er sich eigentlich ganz gemütlich eingerichtet und auf große Heldentaten keine große Lust. Bis eines Nachts der Hof überfallen wird und Orm einen der Übeltäter erschlägt. Da den Plünderern nun ein Mann zum Rudern fehlt, nehmen sie Orm kurz entschlossen mit auf die Fahrt, die bis tief in den Süden, nach Cordoba, führen wird, und weil Orm kein Übelnehmer ist, freundet er sich schließlich mit seinen Entführern an. Denn schließlich ist die eigene Familie ja auch im Wikinger-Gewerbe, und dass man nicht überfällt, sondern überfallen wird - nun, das kommt eben auch mal vor.

Lakonisch und mit köstlichem Augenzwinkern erzählt Bengtsson die Geschichte vom Wikinger wider Willen, der schließlich an den Hof Harald Blauzahns gerät und schon fast das Vertrauen des übellaunigen Herrschers erlangt hätte, bis ... ja, bis sein Kumpel Toke mit einer von Haralds Lieblingssklavinnen durchbrennt. Orm selbst gewinnt schließlich Haralds Tochter Ylva zu Frau, kehrt nach Schonen zurück und wird ein geachteter Bauer. Bis eines Tages sein tot geglaubter Bruder Arne vor der Tür steht und von dem Bulgarengold erzählt, das irgendwo an den Stromschnellen des Dnjepr verborgen liegen soll ...

Soweit, so typisch Abenteuerroman, der allerdings - für heutige Romane fast undenkbar - über weite Strecken ohne Dialoge auskommt und dabei trotzdem geradezu unanständig spannend und dynamisch ausfällt. Das Besondere sind Bengtssons Helden mit ihrem launigen Blick aufs Schicksal und einem unfehlbaren Sinn fürs Praktische. Als Orm, am Hof des Kalifen von Cordoba zum Islam konvertiert, mit seinen Männern mit einer riesigen Kirchenglocke als Beute im Gepäck zurück in die Heimat fährt und in einen Sturm gerät, geht die Schiffsbesatzung auf Nummer Sicher:
Sie brachten nun Ägir, Allah und St. Jakob ein Opfer von Fleisch und Getränken, und danach war ihnen besser zumute.
Als bester Sprücheklopfer brilliert Orms bester Freund Toke, der eine Schwäche für Bier, Frauen und Verse hat, aber natürlich auch bestens zuhauen kann - wenn nicht gerade er es ist, der betrunken auf dem Abort einschläft und erst wach wird, als ein Speer die Rückwand der Bretterbude spaltet und ihm eine sehr unschöne Verletzung an einer etwas peinlichen Stelle beibringt. Den Männern von Schonen ist jedenfalls nichts Menschliches fremd, und das macht dieses Epos über Raufen, Plündern und Saufen so ungeheuer sympathisch. Hätten Orm und Toke in unseren Tagen gelebt, sie hätten wahrscheinlich eine Band gehabt - und Neil Strauss hätte ihre Biografie geschrieben.